Bedeutende Persönlichkeiten

Anna Marie Franzika der Toscana

Anna Marie Franziska, Prinzessin von Sachen-Lauenburg, Gräfin von Neuburg und Großherzogin der Toscana, die mit ihren sechsundzwanzig Jahren das hiesige Schloss errichten ließ, gehörte zu den bedeutendsten Adeligen des Barocks im Königsreich Böhmen. Außer Buschtehrad besaß sie in Böhmen Dutzende von Herrschaften, war eine sehr aktive Frau mit Geschäftssinn, eine gute Organisatorin sowie eine ausgezeichnete Reiterin und Jägerin. Sie führte ein frommes Leben und war angeblich ihren Untertanen gegenüber ungewöhnlich gerecht. Regelmäßig besuchte sie ihre Herrschaften und kontrollierte deren Gang und Verwaltung, was bei den Verwaltern und den Untertanen Respekt erweckte. Einen überwiegenden Teil ihres Lebens widmete die Großherzogin der Verbesserung ihrer Herrschaften: sie ließ neue Schlösser, Pfarrhäuser, Kirchen bauen, erwarb in Rom Reliquien mehrerer Heiliger für die Kirchen in ihren Besitzungen und im Jahr 1718 kaufte sie den von Graf Thun begonnenen Bau des Palastes auf dem Hradschin-Platz, den heutigen Toscana Palast, Sitz des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der Tschechischen Republik, dessen Bau sie zu Ende führte.

Joachim Barrande

Der bekannte gebürtige Franzose J. Barrande (1799-1883) ist mit unserem Land vor allem mit der Entwicklung der geologischen Forschungen und Paläontologie verbunden, aber nur wenige wissen, dass er auf kurze Zeit auch in Buschtehrad lebte.

Nach Böhmen gelangte er als Lehrer und Erzieher des französischen Thronfolgers Heinrich de Chamborde, des Enkels des gestürzten Königs Karl X.  Die Königsfamilie, die sich seit der Julirevolution 1830 auf der Flucht befand, hatte auf dem Gebiet der Habsburger Monarchie Asyl gewonnen. Der österreichische Kaiser stellte ihnen damals eine Residenz in Buschtehrad zur Verfügung, wo sie bis zum Jahr 1832 weilten. Von dort vertrieb sie dann eine Cholera-Epidemie, die zu jener Zeit bei uns wütete.

Nach Beendung des Dienstes und nachdem er renommierte tschechische Gelehrte kennengelernt hatte, wurde Barrande in Böhmen dauernd sesshaft.  Dank seinen geologischen Kenntnissen und seiner Ausbildung zum Bauingenieur forderte man ihn auf, das Projekt der Verlängerung der Pferdeeisenbahn Prag – Lana über das Tal des Flusses Beraun bis nach Pilsen zu beurteilen. Wegen Mangels an Finanzmitteln ist es nicht gelungen, diesen Plan zu realisieren, aber infolge seiner häufigen Expeditionen in das Terrain, im Zusammenhang mit Vermessungsarbeiten, machte sich Barrande mit dem interessanten geologischen Bau des Böhmischen Massivs bekannt. Er erfuhr dabei von den reichen Vorkommen an Petrefakten, die einst das hiesige paläozoische Meer bewohnten und entdeckte eine äußerst reiche Fundstelle von Fossilien, insbesondere Trilobiten. Dem Studium dieser Geschöpfe weihte Barrande schließlich sein ganzes Leben und die Resultate veröffentlichte er dann in seinem Hauptwerk – Systeme Silurien du Centre de la Boheme.

Ota Pavel

Ota Pavel war ein tschechischer Schriftsteller, Journalist und Sportreporter, der in Buschtehrad, wo seine Großeltern wohnten, einen Teil seines Lebens verbrachte. In seinen, oft autobiografischen, Prosawerken kehrte er gern zu seiner Kindheit in Buschtehrad zurück. Ein weiteres Hauptthema seiner Erzählungen war der Sport.

Der Schriftsteller Ota Pavel in den Erinnerungen der Schriftstellerin und Verlegerin Slávka Kopecká, ebenfalls eine bekannte gebürtige Buschtehraderin:

Die Familie Popper war im Rahmen des Gemeindelebens immer etwas Außergewöhnliches, wohl vor allem dank dem Handelsvertreter der Firma Elektrolux Leo Popper – dem Vater Ota Pavels. Und vielleicht auch wegen der Dosis an Torheit und Fantasie des Vaters, wurde aus dem Sohn ein Schriftsteller. Ota erlebte mit seinem Vater, der Mutter, Großmutter Malvína und den Brüdern Hugo und Jiří viel Schönes, Dramatisches und Tragisches – und ein Großteil seines Lebens (der Kindheit und Jugendzeit) ist an unsere Stadt gebunden.

Geboren wurde er aber in Prag, im Jahr 1930, und nach Buschtehrad ist er mit den Eltern als Junge umgezogen – in das kleine Häuschen seines Großvaters neben den beiden Fischteichen. Er war neun Jahre alt, als der Krieg ausbrach, und weil er Jude war, hatte er es nicht leicht. Im Hinblick auf sein Alter entging er dem Konzentrationslager, wohin seine beiden Brüder und der Vater deportiert wurden (zum Glück haben es alle drei überlebt). Ota ging nach dem Krieg in die Lehre und dann zum Militär, wo er zu schreiben versuchte. Schon seine ersten Arbeiten trugen Zeichen eines großen Talentes und bereits darin kehrte Ota an die Orte seiner Kindheit – nach Buschtehrad zurück.

Nach dem Militärdienst gelangte Ota Pavel zur Militärpresse, und weil ihm die notwendige Bildung fehlte, begann er buchstäblich von der Pike auf. Das Abitur machte er im Fernstudium und durch fleißige Arbeit in den Zeitungen gewann er die erforderliche Routine und Praxis. Er hatte zwei Hobbys – die Journalistik und den Sport. Er spielte Hockey und Fußball, im Hockey war er besser. Mit dem Schlittschuhlaufen begann er auf dem hiesigen Teich und brachte es bis zum Sportklub Sparta, wo er spielte und dann den Nachwuchs trainierte. Ota war mit vielen Sportlern befreundet und verstand es, über sie zu schreiben. Während mehr als zwanzig Jahren Arbeit als Sportjournalist geriet er bis an die Spitze dieser Branche. Seine Sporterzählungen waren am besten. Dabei schrieb er stets einfach, verständlich – und ergreifend.

Dukla zwischen Wolkenkratzern, Eine volle Kiste Champagner, Preis des Sieges, Pokal von Gottesgnaden, Das Märchen vom Raschek (über das Leben des Skispringers J. Rašek) … das sind seine bekanntesten Bücher aus dem Sportmilieu. Mit der Zeit begann Ota der Sportthemenkreis zu eng zu werden. Da war er vierzig. Er behauptete in dem Alter zu sein, wo er weiß was er tun muss – und auch, was er niemals tun wird. In dieser Zeit schrieb er zwei schmale Büchlein: Wie ich den Fischen begegnete  und Der Tod der schönen Rehböcke. Auf dem tschechischen Literaturhimmel schlugen sie wie eine Bombe ein. Jan Werich meinte damals: „Wenn er Englisch schreiben würde, läge ihm die ganze Welt zu Füßen!“

Irgendwann in dieser Zeit vertraute er mir an, dass er, geplagt von einer langwierigen Krankheit, unter großem inneren Druck schreibe. Ich hatte damals das Glück Ota Pavel näher kennenzulernen. Als wir uns bekannt machten, war er davon begeistert, dass ich aus Buschtehrad bin. Er kannte meine Verwandten, die Großmutter, Onkel und Tanten. Ich arbeitete derzeit in der Redaktion der Zeitschrift Květy, redigierte Erzählungen (seine „Lange Meile“ erschien damals eben in unserer Zeitschrift) und Ota rief regelmäßig morgens in der Redaktion an, weil er wusste, wann mein Bus aus Buschtehrad eintraf. Er fragte mich nach den unglaublichsten Dingen und wollte von mir ganz eigentümliche Informationen. Beispielsweise: Wieviel „leichte“ Mädchen wirkten im Restaurant „Na Vypichu“ und wie sie hießen, wieviel Kolaboranten gab es während des Krieges in Buschtehrad und deren Namen, wer saß als Stammgast in der Schenke, wo „geh in die Binsen“ gesagt wurde. Wir haben am Morgen immer gelacht. Mit der Zeit traute ich mich, ihn um Rat zu fragen, wie man eine gute Erzählung schreibt. „Gut“, meinte er damals, „da gibt es etwa zehn Grundpunkte, ich schreibe sie Ihnen auf!“ Ich bettelte um wenigstens die ersten Punkte. Er sagte: „Zuerst muss man das Leben voll genießen und es nicht zu kurz kommen lassen. Dann viel schreiben, über alles Mögliche, täglich und am besten in Zeitungen, kurze Handlungen,  mit denen der Mensch geübter wird. Für eine Erzählung muss man aber ein reifer Mensch sein – und mindestens vierzig Jahre!“ Er verriet mir die Absicht, eine Sammlung von in Buschtehrad situierten  Erzählungen aus der Kindheit zu schreiben und vielleicht war er auch deshalb so froh, dass er mit mir über Buschtehrad reden kann. Er vertiefte sich in Erinnerungen. Ich weiß von einem interessanten Detail aus seinem Leben. Ota Pavel war bei uns in Buschtehrad einen Monat vor seinem Tod. Wir hatten damals ein Treffen bei uns verabredet. Leider ist es nicht mehr dazu gekommen. Ota wanderte allein durch die Landschaft seiner Kindheit, besuchte Orte, die er liebte, stand an den Teichen, wo er zum ersten Mal die Angel ausgeworfen hatte, kam zu dem Hornstrauch, an dem er oft  vorbeigerannt war, in der Hoffnung, die Meister zu überrunden… Damals hat er mir geschrieben:

24. Februar 1973

Fräulein Kopecká,

am Samstag war ich bei schrecklichem Wetter in Buschtehrad und es war wunderbar. Solch eine trübe, verwehte Landschaft, voller arbeitsreicher Gebäude, die Umbauten und hinter ihnen waren alte Häuschen sehen, die man kannte und vielleicht auch geliebt hatte. Als ich zurück fuhr in Richtung Bouchalka, sah ich solche großen, nichtgepflügten Schollen, etwas verweht und  der Wind trieb ein wenig Schnee darüber, und die vergilbte Aufschrift an dem Haus: Bouchalka. Die Birken vom Vypich, dunkel und gerade und dann Koničeks Mühle. An die habe ich auch Erinnerungen und habe über sie meine erste Erzählung für das geplante Buch aus der Kindheit „Die Buschtehrader Eisenbahn“ geschrieben. Wenn Sie die Erzählung gelesen haben, schicken Sie sie mir zurück.

Viele Grüße Ota Pavel

Dieser Brief, den er direkt an mich adressiert hat, ist überhaupt sein letzter Brief gewesen. Daran denke ich gerührt, liebevoll und voller Achtung. Und weil ich selbst mich mit dem Schreiben ernähre – auch mit einer gewissen Verpflichtung.

Ota Pavel ist am 31. März 1973 verstorben. Die gelesene Erzählung konnte ich ihm schon nicht mehr zurückgeben. Und die zehn Punkte, wie man eine gute Erzählung schreibt, konnte er mir nicht mehr schicken. Aber er kannte sie – und ich tappe weiter im Dunkeln.“

CACHOVÁ, Věnceslava – VESELÝ, Karel – KOPECKÁ, Slávka: Berühmte Persönlichkeiten  der Gemeinde. In: 500 Jahre Stadt Buschtehrad. Sammelschrift über die Geschichte und Gegenwart der Gemeinde, erschienen anlässlich des Jahrestages der Erteilung der Stadtrechte. Buschtehrad: Gemeindeamt, 1997, S. 106-111 – 5 Illustrationen.

 

Soviel zu Ota Pavel von der Schriftstellerin Slávka Kopecká. Zu des Schriftstellers vorzeitigem Ableben können wir noch hinzufügen, dass im Jahr 1964 während der Olympischen Winterspiele in Innsbruck, wohin er unser Team als Sportredakteur begleitete, machte sich bei Ota Pavel eine ernste Geisteskrankheit (Maniodepressive Psychose) bemerkbar, die ihn im Jahr 1966 dauerhaft aus dem Arbeitsprozess ausschaltete. Er wurde Invalidenrentner, aber trotz häufiger Aufenthalte in psychiatrischen Anstalten gab er sein literarisches Schaffen nicht auf. Er verstarb unerwartet am 31.3.1973 an Herzversagen.